Die Schwierigkeit beginnt bereits dann, wenn man zu definieren versucht was Sprache ist. Wenn von der menschlichen Fähigkeit zur Sprache
allgemein die Rede ist, wird der Begriff »langage« [menschliche Rede] verwendet. Spricht man von Sprache als Einzelsystem (z.B. Deutsch,
Englisch), etwa wie ein Wörterbuch von dem jeder ein Exemplar hat, so wird der Begriff»;langue« [Sprache] gebraucht. Dagegen wird
die persönliche und tatsächliche Sprachverwendung mit dem Begriff »parole« [Sprechen] bezeichnet. Für deutschsprachige
ist es besonders problematisch, denn das deutsche Wort 'Sprache' umfaßt die beiden ersten Begriffe.
Was diese Einteilung uns allerdings ermöglicht, ist die Einführung und Verwendung des Begriffes »langue«. Da mit »langue«
ein Einzelsystem bezeichnet wird, das nicht eine Funktion der sprechenden Person ist und ein Objekt darstellt, das man gesondert erforschen kann,
können wir die Strukturen und die Terminologie dieses Systems reflektieren und anwenden. Demnach ist Sprache (langue) ein System von Zeichen, die
Ideen ausdrücken.
Ist das aber nicht genau das, was (auch) die verschiedenen Auszeichnungssprachen leisten? Sie bilden ein System von Zeichen, in dem einzig die
Verbindung von Sinn und Zeichen wesentlich ist. (Ich verwende absichtlich nicht das Wort Programmiersprachen. Obwohl die Beschreibung auch auf
diese zutrifft und sie hier ebenfalls eingeordnet werden könnten, ist es nicht mein Ziel, mich mit diesen zu befassen.)
"Sprache und Schrift sind zwei verschiedene Systeme von Zeichen, das letztere besteht nur zu dem Zweck, um das erstere darzustellen." meinte Ferdinand de Saussure. Im Laufe der Zeit haben sich zwei Schriftsysteme entwickelt; erstens das ideographische System, in diesem wird das Wort durch ein einziges Zeichen dargestellt. (Ein Beispiel dafür ist die chinesische Schrift.) Das zweite System ist das phonetische. Dieses gründet sich auf diejenige Elemente des Sprechens, die keine weitere Teilung erlauben. (Dies sind die alphabetischen Schriften.)
Für uns ist erstmals das ideographische System von Interesse, denn in diesem geht es um die Darstellung von Begriffen durch Bild oder Wortzeichen.
Auf diesem System basieren nicht nur die Hieroglyphen sondern auch die moderne Piktogramme und auch die Höhlenmalereien. Das Zeichen bezieht sich
hier auf das Wort als Ganzes und dadurch auch auf die Vorstellung, die es ausdrückt. Ein Zeichen oder Bild, das wir sehen, löst eine
Vorstellung im Gehirn aus. Ebenso funktioniert es in die andere Richtung; eine Vorstellung im Gehirn wird mit den Zeichen und Bildern assoziiert, die
zu deren Ausdruck dienen.
Im Gegensatz zum sprachlichen Zeichen das beliebig ist, denn die Verbindung die das Bezeichnete mit der Bezeichnung herstellt ist beliebig, stellt
das Symbol etwas dar, das niemals ganz beliebig ist. Ein Symbol stellt immer eine gewisse Beziehung zwischen Bezeichnetem und Bezeichnung dar,
ist also nicht inhaltslos. Damit die Kommunikation durch Zeichenaustausch ermöglicht wird, müssen die Zeichen einige Funktionen
erfüllen; ein Zeichen muß eine Ausdrucksfunktion zur Mitteilung vorweisen um zu einer Appellfunktion, zur Auslösung einer Reaktion zu
führen. Dies kann nur durch eine Darstellfunktion, die einen objektiven Sachverhalt zu beschreiben bedeutet, bewerkstelligt werden.
Die Schwierigkeit, die ein ideographisches System darstellt, läßt sich durch diese Funktionalität des Symbols und durch die
erwähnte Beziehung zum Inhalt erklären. Sehr vereinfacht gesagt: die Sprache ist eine Übereinkunft.
Das Vermögen der Assoziation und Koordination spielt die größte Rolle in der Organisation der Sprache. Alle Menschen die durch eine
Sprache verknüpft sind, reproduzieren annähernd die selben Zeichen, die an die selben Vorstellungen geknüpft sind. Daraus bildet sich
ein Durchschnitt, der durch kollektive Übereinstimmung anerkannt wird und mit der Gesamtheit der Assoziationen die Sprache ausmacht.
Wenn eine Gesellschaft sich wandelt und entwickelt, wird sich ihre Sprache ebenso wandeln und entwickeln. Die Vorstellungen und Assoziationen, die
ein Zeichen oder Symbol mit und in sich trägt, verschieben sich, oder erlangen ganz neue Bedeutungen. So ist es kein Wunder, wenn wir heute
nicht mehr in der Lage sind, abgesehen von einigen wenigen Wissenschaftlern, etwa die indianische Kekinowin, yukatanische oder altägyptische
Bilderschrift oder etwa die demotische Schrift zu verstehen.
Zum zweiten, zum phonetischen System, das die Abfolge der Laute wiederzugeben sucht, sei nur vermerkt, daß dort wo sich ein Alphabet bildet
das diese Laute darstellt, spiegelt das System die Sprache ziemlich genau wieder. Mir ist aber auch bewußt, daß sich das Schriftbild
der diversen Alphabete im Laufe der Jahre auch geändert hat. Da diese Änderungen aber nicht selten Modeerscheinungen unterlagen und nicht
immer die tatsächlichen sprachlichen Veränderungen widerspiegeln, werde ich auf eine weitere Ausführung verzichten.
Ein viel interessanter Punkt in der Geschichte des Alphabets ist "die Ankunft des Textes als Gegenstand".
Es gibt geteilte Meinungen darüber, ob die Erfindung des Buchdruckes als der Wendepunkt in der Geschichte des Alphabets angesehen werden kann.
Aber weder das Buch noch der Text, als abstrakter Gegenstand, sind Erfindungen Gutenbergs. Schon etwa 300 Jahre vorher wurden die Grundlagen für
eine Trennung des Textes von seinem bisherigen Träger gelegt. Etwa Mitte des 12. Jahrhunderts wurden Techniken entwickelt, die zu einem
neuartigen Umgang mit dem Text geführt haben. Vor diesem Zeitpunkt war der Text nur schlecht gegliedert, einzelne Stellen blieben unauffindbar.
Von da an entsteht ein neues Seitenbild, Kapitelüberschriften erscheinen, Zitate werden kennzeichnet. Die Entwicklung von Register und
Bibliotheksinventare deuten auch auf die Entwicklung einer neuen Technik des Suchens hin.
Wenn bis hierhin Texte nur thematisch und nach ihrem Bezug zur Bibel geordnet wurden, so wird jetzt ein neues Suchmittel eingeführt: das ABC.
Für uns ist es selbstverständlich, daß wir uns bei der Suche in Lexika, im Telefonbuch oder in den Katalogen nach dem ABC orientieren.
Es ist aber eine merkwürdige Tatsache, daß diese Möglichkeit des Suchens und Registrierens, obwohl das ABC, seit es die Griechen um
770 v. Chr. erfunden haben, vorhanden war, bis zum Ende des 12. Jahrhunderts weitgehend von den Schriftkundigen ungeachtet blieb.
Die Grundlage dieser Veränderungen wird in der Entwicklung des Leseverhaltens und des Lesens gesehen. Es tritt an der Stelle des in der
Mönchskultur üblichen Vorlesens, das leise für sich Lesen. Der Text wird zu einer zweidimensionalen Erscheinung, und das Lesen zu
einer individualistischen Tätigkeit.
Nur als historische Beigabe möchte ich hier erwähnen, daß der Begriff »Hypertext« als solcher, auf eine
Äußerung Theodor Nelsons aus dem Jahr 1965 zurückzuführen ist.
Die Vorsilbe hyper besitzt je nach Kontext die folgenden Bedeutungen: über, über - mäßig, über - hinaus.
Was demnach Hypertext heißt läßt sich nur schwer beantworten. Auf die Frage, ob Hypertext ein Text sei, der über den normalen
Text steht, oder einen Begriff für etwas darstellt, das verschiedene Texte zusammenfaßt und in sich vereinigt, gibt es zahlreiche Antworten.
"Hypertext ist eine Konsequenz aus der Vorstellungswelt des 20. Jahrhunderts, einer Vorstellungswelt, die sich an immer größere
Komplexität im Denken und in der Praxis gewöhnen mußte und nach geeigneten, nicht-traditionellen, technischen Mitteln zur
Bewältigung dieser Komplexität sucht." schrieb an einer Stelle Stefan Münz.
Den größten Unterschied zwischen Hypertext und normalem Text bildet die Eigenschaft des Hypertextes, daß andere (Hyper-)Texte
unmittelbar erreicht werden können. Links im Hypertext stellen eine bisher unbekannte Möglichkeit dar, Verbindungen zu anderen Texten und
Informationsformen, zu Bildern, Videos und Audiodateien zu knüpfen. Der Hypertext übersteigt die im Rahmen des Textes geltende
Definitionsmöglichkeiten, wie etwa das Kriterium der Abgeschlossenheit oder des Werkcharakters. "Das face-to-face des Gesprächs
zwischen Auge und Buchseite wird zum Interface".
Ein anders Merkmal des Hypertextes ist die Wandelbarkeit. Lag der Text, der die Form eines Buches annahm noch in der Verantwortung des Autors,
oder des Herausgebers, so ist die Autorschaft im Internet konturlos und schwer faßbar geworden. Es ist ein Leichtes im Internet Texte zu
fälschen, nichts ist weniger verläßlich als ein Text, den man aus dem Internet herunterladen kann. Die Frage nach der
Verläßlichkeit des Hypertextes ergibt sich nicht nur aus dem Problem der Authentizität des Textes, sondern auch aus der Frage der
Beständigkeit des Textes. Texte im Hyperraum können ihren Umfang, Standort und ihre Gestalt von Tag zu Tag ändern. So gesehen sind
Hypertexte nur provisorisch und in ihrer Zeit begrenzt, das würde aber bedeuten, daß elektronische Texte nur in der Echtzeit existieren
können.
Ich habe hier die Erwähnung der meistgenannten Eigenschaft des Hypertextes, die Mehrdimensionalität, vermieden, da diese und auch die
Frage nach der Zeitlichkeit des Textes noch separat behandelt werden.
»meta« bedeutet im Altgriechischen: später , hinter / nach, hinter/ mit, nach/ im Lateinischen: Grenze, Ende, Ziel
Wenn wir analytisch vorgehen, benennt das Wort Metatext einen Begriff, der hinter dem Text steht, etwas, das nach dem kommt was den Text ausmacht,
etwas, zu dem sich der Text als Ziel hinbewegt. Gleichzeitig deutet es aber auch etwas, als Ende des Textes geltendes an, eine Begrenzung dessen,
wozu Text fähig ist und was er leisten vermag. Wenn aber der Metatext eine Grenze dessen darstellen sollte, was Text sein kann, würde das
bedeuten, daß es keinen Text außerhalb von Metatext geben kann. Um diesen Widerspruch aufzulösen, müssen wir nochmals zum
Begriff des Textes zurückkehren.
Wenn unser, in der Buchkultur aufgewachsenes Verständnis mit der neuen Form des Textes, dem Hypertext, einige Probleme hat; wird es ihm nicht
nicht leicht fallen sich mit dem Begrifft des Metatextes anzufreunden.
Das Wort Text entstammt aus dem Lateinischen: »texere«, was soviel wie weben, flechten bedeutet; »textum« /
»textus«, das als Gewebe, Gefüge, Geflecht übersetzt werden kann.
Der traditionelle Begriff des Textes geht von einem Text aus, der immer eine abgeschlossene Passage bezeichnet. Von einer Äußerungsform
einer kommunikativen Handlung, die eine formale und strukturelle Ganzheit bildet. Ein Text kann kurz sein, eben nur ein einziger Satz, oder aber
auch ganze Bände umfassen. Die Erscheinung des Hypertextes sprengt die Rahmen dieser Definition, und zeigt deutlich, daß Text nicht
mehr als zweidimensionales Medium und vor allem nicht mehr als bloße sprachliche oder schriftliche Äußerung betrachtet werden kann.
Mit dem Hypertext werden neue Formen der Mitteilung in unserem, bis dahin von Bücher geprägten Textverständnis eingeführt.
Ein Hypertext kann also nicht nur Text, im Sinne von Schrift erhalten, aber auch audiovisuelle Anteile, womit der Begriff und die
Möglichkeiten des Textes ausgedehnt werden.
Das ist nur der Anfang einer neuen Entwicklungswelle des Textes als Kommunikationsträger. Es existieren schon heute unzählige Sprachen,
die sich nahtlos im Hypertext einfügen aber nicht an die Textualität oder Schriftlichkeit gebunden sind. Ich denke dabei besonders
an die neuen multimedialen Sprachen wie SMIL oder SVG, um nur zwei zu nennen.
Wenn wir das Verhältnis von Metatext zum Text unter diesen Gesichtspunkten betrachten, können wir feststellen, daß sich der
Widerspruch der Begrenzung, von Text durch Metatext, mit der Auflösung des engen traditionellen Textbegriffes ebenfalls aufgelöst hat.
Denn es existiert nicht mehr nur der Text, es existieren vielmehr verschiedene Textformen, die zusammen den Metatext ausmachen.
Metatext könnte man auch als Bezeichnung für Text, in dem Äußerungen über den Text gemacht werden betrachten, so wie
Metasprache eine Sprache ist, mit deren Hilfe Äußerungen über die Sprache gemacht werden. Da aber diese Betrachtungsweise nur
eine enge Sicht über den Text erlaubt, nämlich nur strukturelle Betrachtungen, müssen wir diese Interpretation von Metatext
als für uns nicht ausreichend betrachten.
Auf die Frage wie oder in welcher Form Metatext erscheint, kann ich die Botschaften, die die Raumsonden Voyager 1 und 2 mitführen, in
Erinnerung rufen. Diese besteht jeweils aus einer Platte mit Bild-, Musik,- und Sprachaufzeichnungen und eingravierten Symbolen, die den
Standort der Erde zeigen und der Benützung der Platte selbst erklären.
Ein anders Beispiel, das mehr ein Gefühl über den Metatext vermittelt als einen konkreten, greifbaren Gegenstand liefert, ist das
Gefühl, das eine Bibliothek erwecken kann. Man stelle sich vor, Mitten einer großen Bibliothek zu stehen, die nicht nur Bücher,
sonder auch Ton- und Bildträger, Landkarten, Papyri und andere Informationsträger beherbergt. Wenn man versucht all das in seiner
Gesamtheit zu erfassen und verstehen, kann man etwas davon erahnen, was Metatext sein kann. Da aber die Bibliothek bereits ein mehrdimensionaler
Erscheinungsträger des Textes ist, möchte ich dazu übergehen, was ich unter Textdimensionen aufgelistet habe.