1. Die Antike   «« Inhaltsverzeichnis

2. Exkurs: Zaphon oder die fines terrae(14)

Da im Mittelalter die christliche Gelehrtenwelt, deren - unter anderem - kosmographisches und geographisches Weltbild so nachhaltig vom biblischen Gedankengut beeinflußt war, sich auch in Fragen der Kartographie die Heilige Schrift als oberstes Prinzip gesetzt hat, erachte ich es als angebracht, die Vorstellungen der Bibel bzw. des Alten Testaments vom Norden und dessen Völkern etwas ausführlicher zu behandeln.

Zur Zeit der Entstehung des Alten Testaments orientierte man sich im Morgenland dadurch, daß man das Gesicht der aufgehenden Sonne entgegenwandte und demnach den Osten als vorn (vorne), den Westen als hinten (hinten), den Süden als rechts (rechts) und den Norden als links (links) oder (links)(15) bezeichnete. Synonym für die einzelnen Richtungen werden die entsprechende Winde benannt, weshalb sie vielfach in den Übersetzungen erscheinen.
Die Geschichte im Alten Testament beschränkt sich weitgehend auf das erwählte Volk Gottes. Der Raum Palästina - Mesopotamien wird begrenzt vom Paradies im Osten, von Zaphon dem Sitz der Völker Gog und Magog den Mächten der Vernichtung, die das Ende verkünden, im Norden, heißen Gegenden im Süden und dem Niedergang der Sonne im Westen.
Zu den Ländern des Nordes rechnet der Israelit natürlich Syrien und Phönizien, die aber für Israel dermaßen geographisch und bevölkerungsmäßig bekannte Gegenden darstellten, daß sie nicht in dieselbe Kategorie, wie die wirklich entlegenen Länder im dunklen Norden eingeordnet werden können. Die eigentliche nördliche Weltgegend war Kleinasien mit Umgebung.

Die Völkertafel in der Genesis rechnet in großen Zügen die Japhetiten dem nördlichen und westlichen Bereich der damals bekannten Welt zu. Als erstes der Japhetvölker nennt die Völkertafel die Gomer, unter denen man heutzutage die indogermanischen Kimmerier (kimmerioi) verseht. Sie wohnten nach Homer(16) im sonnenlosen Norden, nördlich des Schwarzen Meeres.
Als dritter Sohn Gomers wird Togarma genannt, von seinem Stamm heißt es, daß er mit Gomer zu jenem Bund von Heidenvölkern gehört, der unter der Führung Gogs zu den eschatologischen Krieg gegen Israel aufbrach. Vom Stamm der Togarma wird ausdrücklich gesagt, er komme vom äußersten Norden.
Ein andere Sohn Japhets ist Magog. Josephus erklärt(17), daß mit Magog die Skyten(18) gemeint seien, jedoch Sicheres läßt sich darüber nicht sagen. Unter den Japhetiten d.h. den Völkern der nördlichen Welt hat in den Völkertafeln auch Javan(19) Platz bekommen. Unter Javan wird im allgemeinen entweder das Reich Alexander des Großen oder die hellenistisch - syrische Macht der Seleukliden verstanden.

2.1. Der heilige Norden

Der Norden war im alten Orient eine kosmologisch wichtige Himmelsrichtung, während alles andere im Weltall sich in ewigem Kreislauf bewegte, gab es einen festen Punkt: den Nordpol des Himmels. Dieser wird später als Wohnsitz der Gottheit Gegenstand kultischer Verehrung. Auch die Griechen empfanden die Göttlichkeit dieser Himmelsrichtung. Man muß dabei beachten, daß der Olymp - von Griechenland aus gesehen - im Norden liegt. Die Römer erachteten den Norden ebenfalls als Wohnort der Götter(20).
Am deutlichsten im Alten Testament ist der im Norden gelegene Gottesberg in dem Gedicht Jes. 14 13 ff. erwähnt:

...will ich meinen Thron stellen
und auf dem Versammlungsberge mich niedersetzen
im äußersten Norden; ...

Eine weitere den Norden betreffende Äußerung findet sich im Buch Hiob Kap. 26;

Er spannt den Norden über dem Leeren aus,
läßt die Erde schweben über dem Nichts.

Gedacht ist an den Bau des Weltalls, über die Weite ist der Nordhimmel ausgespannt. Die Äußerungen die von der Göttlichkeit des Nordens sprechen stammen jedoch aus verhältnismäßig später Zeit. So ist es festzustellen, daß der Norden als heilige Himmelsrichtung keinen wirklichen Einzug in die alttestamentarische Gedankenwelt gefunden hat.

2.2. Der Feind aus dem Norden

Neben der Vorstellung vom Norden als Wohnort der Gottheit ist die gegenteilige Auffassung, also vom Norden als Brutstätte und Ausgangspunkt der Unheilskräfte, mit größerer Häufigkeit anzutreffen. Im jüdisch - rabbinischen Schrifttum gilt die Nordseite der Welt als Behausung der bösen Geister. Eine andere Vorstellung vom unheilvollen Norden kehrt oft in der religiösen Auffassung der Israeliten wieder. Insbesondere das prophetische Schrifttum ist reich an Stellen, wo feindliche Angriffe vom Norden her erwartet werden, welche gar eschatologische Entscheidungen für die Menschheit und für den ganzen Kosmos bedeuten. So z.B. bei Jeremia 4 5 ff.

Denn Unheil lasse ich kommen von Norden her
und gewaltige Störung.
Heraufgestiegen ist der Löwe aus seinem Dickicht,
der Völkerwürger ist aufgebrochen,
ausgezogen von seiner Stätte,
dein Land zur Wüste zu machen,
deine Städte werden verheert ...

Jeremia nennt in seinen Aussprüchen, über den Feind aus dem Norden, kein bestimmtes Volk, sondern schildert ihn absichtlich mit verschwommenen Umrissen. Die Idee von der Bedeutung der geheimnisvollen nördlichen Mächte erreicht ihren Höhepunkt in der Verkündigungen Hesekiels. In ihr wird Gog aus dem mythischen Norden zum Vertreter und Führer der widergöttlichen Kräfte. Als Typus des Antichrist hat Gog dann bis zu den eschatologischen Erwartungen neuester Zeiten fortgelebt.

Der Feind aus dem Norden kommt in der klassischen Zeit des Prophetentums so oft als Vollstrecker des göttlichen Gerichts vor, daß er deutlich einen feststehenden Typus des Unheilbringers im israelitischen religiösen Denken darstellt.
Man hat immer wieder versucht die Erwartung des von Norden hereinbrechenden Verheerers aus den jeweiligen zeitgenössischen, politisch - historischen Veränderungen zu erklären. Somit wurde der Feind bald in Assyrien, bald in Babylonien, bald in den Skyten gesehen. Auf Kosten dieser historischen Deutung wurden in den letzten Jahrzehnten die mythologischen Erklärungen in den Vordergrund gerückt (21).

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